Gastbeitrag von Siegfried Kurz, unserem Gastgeber auf dem Hof Markfort
Am 25. Juni 2016 traten die Blueshifters auf dem Sommerfest des Hofes Markfort als Headliner auf. Ihre Visitenkarte hatten sie einige Monate zuvor bei einem Auftritt in der „Kiepe“ abgegeben und wurden quasi auf der Stelle verpflichtet. Es blieb natürlich die Sorge, dabei eine bisher eher unbekannte Band auf dem möglicherweise einsamen Höhepunkt ihrer Karriere gehört zu haben…
Auch wenn das Wetter nicht gerade sommerlich war, richteten sich die Blueshifters in historisch siebenköpfiger Besetzung (vc, vc, gt, gt, bs, kb, dr) zwischen Gewitter und Wolkenbruch auf ihren trockenen Plätzen ein. Einige Gäste machten sich angesichts des Arsenals an Instrumenten berechtigte Sorge, eine übergroße Breitseite deutscher Schlager verpasst zu bekommen, weil ich vorab nicht einmal den Namen der Band verraten wollte. Einige nervöse Lederkutten hielten sogar den Autoschlüssel griffbereit in der Hand für den Fall eines unmotiviert fröhlichen C-Dur-Akkords.
Eröffnet wurde der erste Set des Abends mit einer Coverversion von „Superstition“ (Stevie Wonder) und hier zeigt sich sofort die wahre Stärke der Band: Man spielt ein eigenständiges Arrangement des Songs und verpasst ihm dadurch ein deutlich weißeres Gesicht. Aber sonst hätte man auch gleich Supertramp oder Steely Dan für eine vorlagengetreue Wiedergabe verpflichten können. Den ursprünglichen Bläsersatz des Songs hat man komplett beerdigt und durch ein eigenes Motiv ersetzt.
Bereits der zweite Song „Tina Nina Nu“ aus der Feder von Stevie Ray Vaughan gestaltete sich als fette weiße Bluesnummer. Nicht ohne Grund haben die Blueshifters auch gut abgehangene Nummern von Albert King wie „Born Under a Bad Sign“ im Repertoire. Und mit diesem Gitarristen kann man sich einen solchen Luxus auch erlauben. Während andere Heroen mit Alben wie „Blues for Greenie“ an ihrer Heldenverehrung zerschellt sind, kommt der dunkle Sog solcher Songs bei den Blueshifters mit einer ganz eigenen Note über. Dazu legen sie gleich noch die Uptempo-Nummer „(You Can Have My Husband But) Don’t Mess With My Man“ nach.
Mit diesen Songs ist das Feld bereits abgesteckt, auf dem sich die Blueshifters souverän bewegen: Das Material schwarzer Musiker wird nach Europa übersetzt und vielen weißen Musikern muss angesichts der Bearbeitung ihrer Kompositionen Angst und Bange werden angesichts der verschenkten Möglichkeiten. Mehr als einmal waren die Cover der Blueshifters klar besser als das Original und man erwartete jeden Moment Billy Gibbons von ZZ Top auf der Bühne, um sich für die Versäumnisse zu entschuldigen.
Überhaupt fällt immer wieder die Qualität des Gitarristen ins Ohr. Natürlich könnte man ein Standardriff minutenlang schrammeln, aber dieser Mann nutzt jede Gelegenheit für ein inspiriertes Solo, ohne dadurch die Struktur des Songs zu beschädigen. Stattdessen zieht die Band weiter durch und schiebt nur eine zusätzliche Schleife ein.
Für die durchgeknallten Bluesnummern holte man sich jeweils einen Mann ans Mikro, der mit seinem Arsenal an Mundharmonikas daran erinnert, wie schrecklich der Abend noch werden könnte, falls das Bier nicht mehr reicht. Spätestens an dieser Stelle merkt man endgültig, dass die Blues Brothers auch nicht mehr Wumms hatten als die Blueshifters und wie gut der Bandname zu diesem Repertoire passt.
Während die meisten Bands am Ende eines Stücks den zusätzlichen Druck nur noch über Lautstärke aufgebaut bekommen, stehen den Blueshifters angesichts ihrer Virtuosität noch ein paar zusätzliche Möglichkeiten zur Verfügung. Entweder gibt es ein wahnwitziges Break kurz vor dem Knall oder der Gitarrist haut noch ein zusätzliches Riff ins Finale. Und das Ende eines Songs wird nicht nervtötend in die Länge gezogen, sondern als Punktlandung inszeniert: Nuff said.
Nach der Pause gibt es mit „I’ll Take Care Of You“ erst einmal eine Ballade, nur begleitet von einer einsamen E-Gitarre, bevor mit „Tush“ wieder die rockige Gangart eingelegt wird.
Bei einem Song wie „Nutbush City Limits“ hat jeder noch in Erinnerung, wie sich Tina Turner die Seele aus dem Leib röhrt. Also eine gute Gelegenheit für eine Sängerin, sich ausreichend lächerlich zu machen, wenn die eigene Stimme dem Druck nicht standhalten sollte. Aber so steht man als Zuhörer auch nach fünf Minuten noch fassungslos vor den Resten eines gemütlichen Abends, während die Band noch einen zusätzlichen Kanister Benzin in den Refrain wirft.
Ohne Zugabe wollten wir die Band nicht wieder an die Getränke lassen, aber danach waren die Zuhörer offensichtlich erschöpfter als die Band selbst. Jetzt gehöre ich wirklich nicht zu den leidenschaftlichen Tänzern, aber wer bei dieser Musik stillsitzen kann, sammelt vermutlich auch Fotos von Mittelstreifen, weil sie so aufregend aussehen.
Neben der offensichtlichen Spielfreude verfügt diese Band über die technischen Mittel, sich in komplexen Arrangements lässig einzurichten. Ein wichtiges Merkmal ist zudem die Ökonomie, die besonders beim Schlagzeuger ins Ohr fällt. Wo andere Drummer zu viel Aufwand treiben, sitzt hier jeder abgerungene Schlag an der richtigen Stelle. Hatte ich schon erwähnt, welche Möglichkeiten das im Finale eines Songs liefert? Der Bassist kann das Geplucker nicht ab und spielt stattdessen ununterbrochen Melodiebögen, wirkt aber auch dabei nicht sonderlich ausgelastet. Und der Keyboarder fräst sich zwischen Hammondorgel und Honky-Tonk-Piano erbarmungslos schräg durch alle Songs.
Die Band scheint bisher nicht realisiert zu haben, auf welchem Level sie eigentlich bereits angekommen ist und stapelt deutlich zu tief. Wer seine Party davonfliegen lassen will: Klare Kaufempfehlung meinerseits.
Quelle: Siegfried Kurz, http://www.wigbold-wolbeck.de/impressum.htm